Geheime Geliebte schreibt über Alice Schwarzer
WALTRAUD SCHADE (69) enthüllt in ihrem Buch „Tango mit Alice“, dass sich die Ikone der Frauenbewegung privat eher wie ein Mann verhielt
Sie ist das Gesicht der Frauenbewegung. Und das schon seit 1971. Aber wer dachte, seit ihrer Autobiografi e „Lebenslauf“ 2011, in der sie auch ihr Liebesleben thematisiert, alles über Alice Schwarzer (72) zu wissen, täuscht sich. Denn eine
intensive Beziehung soll die Ikone der Emanzipation 40 Jahre verschwiegen haben.
VON SALLY MEUKOW
„Ich war die erste Geliebte von Alice“, sagt Waltraud Schade (69). Sie hat ein Buch über ihre Zeit mit Schwarzer geschrieben. Denn: „Sie war ganz anders, als sie es in der Frauenbewegung propagiert hat.“ In „Tango mit Alice. Erinnerungen an Alice Schwarzer in Dur und Moll“, das am Donnerstag erscheint, beschreibt Schade auf 250 Seiten ein dramatisches Liebesverhältnis mit der Feministin.
BILD am SONNTAG hat das Buch exklusiv vorab gelesen und mit der Autorin gesprochen.
Rückblick: Sommer 1972, es ist die Zeit der sexuellen Revolution, des Feminismus. Es ist die Zeit von Alice Schwarzer (damals 29), die mit ihrer Kampagne „Wir haben abgetrieben“ der Star der Szene ist. Sie kämpft für Frauenrechte, verurteilt Männermacht – und propagiert: „Das Private ist politisch!“
Waltraud Schade, damals 26, trifft Schwarzer bei einer Frauengruppe in München. Im Buch beschreibt sie die erste gemeinsame Nacht und intime Details einer Beziehung, in der Schwarzer von Juni 1972 bis November 1973 ihrer Geliebten über 100 Briefe geschrieben haben soll.
Im Buch besucht Schade Schwarzer in deren Wohnung in Paris, sie reisen durch Deutschland, machen Urlaub an der Côte d’Azur. Viele Szenen klingen romantisch, doch die Frauen streiten viel – auch wegen Sex, weil Schwarzer „ein Nein nicht immer als Nein akzeptierte“, so Schade heute. Sie schreibt:
„Durch die geschlossenen Lider sehe ich deine Wut, du kannst es nicht ertragen, verschmäht zu werden. Demonstrativ verlässt du das Bett. Ich kann sie hören, die Empörung, die Wut und den Frust bei dir . . . Du rauschst aus dem Zimmer und knallst
die Tür . . . Plötzlich: Ein Höllenlärm . . . In deiner Wut hast du alle gusseisernen Bratpfannen runtergerissen.“
Zu BamS sagt Schade: „Emanzipation war bei Alice Schwarzer im Privaten ein Fremdwort.“
Sie beschreibt eine dominante Frauenrechtlerin. Schwarzer, die häusliche Gewalt scharf verurteilt, soll aggressiv gewesen sein. Schade im Buch:
„Das ist der Moment, in dem dir der Kragen platzt. Energisch wirfst du die Seife nach mir, sie triff t mich, es tut weh. Deinen Wutausbruch rechtfertigst du mit deinem Temperament.“
Schade sagt dazu heute: „Ich war überrascht, mich in patriarchalen Strukturen wieder zu finden, die Alice Schwarzer in hetero
sexuellen Beziehungen aufs Schärfste bekämpfte.“
Auch andere Widersprüche seien ihr aufgestoßen. So schreibt Schwarzer in einem Brief an die Geliebte: „Ich beschäftige jetzt eine Putzfrau . . . Bin mir zwar nicht sicher, ob es richtig ist, eine Frau für sich arbeiten zu lassen. Doch im Endeffekt ist es schneller sauber und für mich leichter.“
Zu dieser Zeit lebte Schwarzer mit dem Völkerkundler Bruno zusammen in Paris. Er soll ihre Parallelbeziehung zu einer Frau geduldet haben, so Schade:
„Im nächsten Brief haderst du mit dir, dass du nicht uneingeschränkt mit mir zusammen sein kannst. Um Klarheit zu schaff en, hast du dich dazu entschlossen, Bruno alles von uns zu erzählen. Alles? Alles! Er reagiert zunächst besonnen, ist mit deiner Beziehung zu mir einverstanden, bis auf eine räumliche Trennung.“
Schwarzer lebte weiter bei Bruno, soll aber die Urlaubszeit geteilt haben, schreibt Schade weiter:
„Du hast es dir anders überlegt, gibst bekannt ... Die erste Hälfte willst du mit Bruno verbringen, die zweite mit mir. Du glaubst auch zu wissen, wie viel du mir zumutest. Weißt du das wirklich?“
Schwarzer soll die Geliebte auch ihrer Mutter vorgestellt haben:
„Du bist deiner Mutter gegenüber stets angriff slustig. Unvermittelt greifst du sie an, sie wehrt sich und dein letztes Argument ist, sie habe dich als kleines Kind den Großeltern überlassen ... Da bist du unnachgiebig und beharrst auf deiner schmerzlichen Kindheit ohne Mutter.“
Nach 18 Monaten das Liebes-Aus. In ihrem Abschiedsbrief im November soll Schwarzer geschrieben haben: „Es war immer schon
hoffnungslos für uns beide.“
Seit mehr als 40 Jahren hat Schade geschwiegen. Warum dann jetzt das Buch, warum die Vorwürfe?
„Ich war überrascht, dass sie sich in ihrer Biografie so darstellt, wie ich sie nicht erlebt hatte“, erklärt sie BamS. „Ich fi nde, Alice Schwarzer hat in unserer Beziehung nicht das gelebt, was sie als Feministin seit 40 Jahren verkörpert. Nach ihrem Buch ist für mich die Notwendigkeit, darüber zu schweigen, entfallen. Bei all ihrem dominanten Verhalten war sie eine warmherzige Person, die sich zu ihren Schwächen bekannte.“
Nur ein letztes Mal sollen sich die beiden Frauen in den 1990ern auf der Frankfurter Buchmesse gesehen haben. Sie
soll Schade so begrüßt haben: „Ach, auch alt geworden, was?“
BamS wollte Alice Schwarzer zu der Beziehung befragen. Über ihr Büro ließ sie ausrichten: „Es überrascht sie sehr, dass eine solche Lappalie und reine Privatangelegenheit von irgendeiner Relevanz für die Öffentlichkeit sein soll.“
Das Buch erscheint bei „Rot&licht“, ein kleiner Verlag, der das „eROTische unserer Welt im LICHTe zeigen“
möchte. 16,90 Euro